Biber – heilsam für unsere Bäche
Haben Sie schon einmal einen Biber gesehen? Dazu braucht man etwas Glück, denn das grösste Nagetier Europas verbringt die Tage in seinem Bau und wird erst gegen Abend aktiv. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts in der Schweiz ausgerottet, wurden in den 1960er Jahren wieder Biber angesiedelt. Heute ist die Art an den Schweizer Gewässern wieder weit verbreitet und die Spuren der Biber sind nicht zu übersehen: Wo Biber leben, verändert sich die Landschaft!
Trockene Schweiz
In der Schweiz wurden Gewässer während mehreren Jahrhunderten begradigt und verbaut, Feuchtflächen wurden drainiert und zu Ackerland gemacht. Diese menschgemachten Veränderungen haben aber auch viele ökologische Probleme mit sich gebracht. Deshalb werden heute mit grossem Aufwand Gewässer wieder revitalisiert. Und wer hätte es gedacht: Der Biber hilft uns dabei – unbürokratisch, fast gratis und manchmal etwas eigenwillig!
Mehr Totholz - mehr Lebensraum
An grossen Flüssen und an Seen, an denen Biber leben, fallen die gefällten Bäume auf. Die typischen Auenbaumarten sterben dadurch nicht ab, sie treiben schnell wieder aus. Die umgefallenen Bäume dienen über und unter Wasser als Unterschlupf und Nahrung für diverse Arten: Viele Mikroorganismen, Pilze und Insekten brauchen totes Holz zum Leben und bilden den Anfang von Nahrungsketten mit unzähligen Tierarten. Ausserdem bremsen gefällte Bäume das Wasser ab und schaffen Lebensräume, die vor den Kräften der Strömung abgeschirmt sind.
-
Marianne Rutishauser
Biberdämme sind ein grosses Plus für die Artenvielfalt
An Bächen bauen Biber Dämme, um das Wasser zu stauen. Sie regulieren damit den Wasserstand, so dass die Eingänge ihrer Bauten immer unter Wasser und für Füchse und andere ungebetene Gäste nicht zugänglich sind. Dort wo Biber stauen, verändern sie die Lebensbedingungen fundamental: Es entstehen Bereiche mit tiefem Wasser und je nach Gelände kann Land überschwemmt werden. Zahlreiche teils seltene Tier- und Pflanzenarten finden hier ideale Lebensbedingungen, darunter Amphibien, Libellen, Fledermäuse und viele mehr. Eine Schweizer Studie zeigt, dass sich durch länger bestehende Biberdämme die Anzahl vorkommender Arten durchschnittlich verdreifacht und knapp 14-mal mehr Individuen gefunden wurden. Bei grossen Vernässungen in Waldgebieten erhöht sich die Artenzahl sogar 6,5-fach und die Anzahl Individuen 62-fach - ein Zeichen für deutlich bessere Lebensbedingungen.
-
Marianne Rutishauser
Erosion, Wasserhaushalt und Wasserqualität
Wo Wasser fliesst, kann die Kraft der Strömung Erde und Steinchen mitreissen. Insbesondere bei begradigten Flüssen und Bächen kann dies dazu führen, dass sich das Gewässer immer tiefer in den Boden frisst und mit ihm der Grundwasserspiegel sinkt. Biberdämme haben eine entgegengesetzte Wirkung. Im gestauten Wasser setzt sich mitgeschwemmtes Material am Grund ab und der Grundwasserspiegel steigt im Umfeld des Staus an. Hier wachsen Wasserpflanzen, Stauden und Auenbäume, die das Wasser reinigen (z.B. von Nitrat) und grosse Mengen CO2 aufnehmen, welches später im nassen Boden eingelagert wird. Untersuchungen im Bibergebiet Marthalen lassen vermuten, dass insbesondere grosse Biberteiche bedeutende CO2-Senken sein können.
Biberdämme mindern Hochwasser
Biberdämme können ausgesprochen stabil sein und bei Hochwasser grosse Mengen Wasser zurückhalten. Durch Biberdämme wird bei starken Niederschlägen das Wasser in den kleinen Bächen zurückgehalten. Es verdunstet, versickert grossflächig oder fliesst gedrosselt ab. Es gibt zahlreiche Hinweise darauf, dass Gebiete, in denen die Biber verschwunden sind, mehr Hochwasser vorkommen als in Gebieten mit Bibern.
Und was ist mit den Fischen?
In sehr künstlichen Bachbetten kann ein Biberdamm die Fischwanderung erschweren, doch auch hier wurde beobachtet, dass die Fische die Dämme überwinden konnten. Obwohl Biberdämme erstaunlich stabil sind, sind sie nicht komplett dicht. Die Biber bauen sie aus Ästen und Lehm, daher können sich kleinere Fische und wirbellose Gewässertiere durch Biberdämme hindurcharbeiten, grössere Fische können sie teilweise überspringen. Teils entstehen auch seitlich Gerinne, wo das Wasser ohne unüberwindbare Stufen über den Damm fliesst und Tiere den Damm umwandern können. Biberdämme können den Fischen aber auch das Leben erleichtern: In Trockenzeiten wird im Biberteich Wasser zurückbehalten und bei Hitze bleibt das tiefe Wasser länger kühl.
-
Marianne Rutishauser
Ein neues altes Landschaftsbild
Biber gestalten ihren Lebensraum aktiv so um, dass sie sich darin wohl fühlen. Mit ihren Dämmen und durch ihr Fressverhalten bringen sie beharrlich mehr Natürlichkeit in unsere stark menschlich geprägte Kulturlandschaft. Darüber freut sich eine grosse Anzahl Tier- und Pflanzenarten. Wir Menschen müssen uns an ein neues Landschaftsbild gewöhnen: trockene Ufer mit stattlichen Bäumen werden vielerorts durch einen fliessenden Übergang vom Gewässer zum Land ersetzt, wo Stauden und Gebüsch vorherrschen. Auch wir Menschen profitieren vom Biber. Ganz gratis ist es jedoch nicht: wir müssen den Gewässern mehr Raum lassen!